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Der Untersuchungsausschuss hörte am 16. Dezember 2010 zwei Geologen als Zeugen: Siegfried Keller, geladen von CDU/CSU und FDP sowie Ulrich Schneider, geladen von der Opposition. Siegfried Keller ist seit 1981 bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angestellt und beschäftigt sich dort theoretisch mit den Ergebnissen von Bohrergebnissen. Ulrich Schneider war von 1979 bis1983 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kiel bei Prof. Duphorn und betreute zwei Jahre die rund 1.200 Bohrungen in Gorleben. 1982 war er mit der Auswertung der hydrogeologischen Oberflächenkartierung befasst, er ist vereidigter Sachverständiger nach §18 Bundes-Bodenschutzgesetz.
Die Befragung des ersten Zeugen Siegfried Keller brachte wenig inhaltlich verwertbare Ergebnisse. Seine Befragung ist Teil der Koalitionsstrategie, ihre Behauptungen durch Zeugen aus der "zweiten Reihe" bestätigen zu lassen. Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, konnte überzeugend die Hauptthese Kellers widerlegen, nach der das Vorhandensein eines intakten Deckgebirge kein relevantes Kriterium für die Eignung eines Salzstocks als Endlager ist.
Die Befragung Ulrich Schneiders hingegen erwies sich als überaus ergebnisreich – und als Fiasko für die Koalition. Schneider bewies an Hand von Karten der BGR eindrucksvoll, dass die BGR inzwischen selbst die sogenannten Scheitelstörungen im Salzstock Gorleben als existent ansieht - was vor 30 Jahren von Duphorn und Schneider festgestellt, von dieser Behörde jedoch vehement bestritten wurde. Als er belegen konnte, dass Gas im Erkundungsbereich 1, und damit dem potenziellen Einlagerungsbereich nachgewiesen worden war, wurde die Koalition mucksmäuschenstil. Schließlich konnten durch seine Aussagen auch noch mehrere eindeutige Manipulationen und Vertuschungen durch die Behörden aufgedeckt werden, da die Hinweise auf Gas im Salzstock Gorleben bereits 1983 vorlagen aber systematisch verschwiegen wurden. Die Ergebnisse der Gasexplosion von Lenzen lagen der BGR spätestens 1991 vor, ohne dass dies Niederschlag in Publikationen dieser Behörde fand.
Mit dem Zeugen Keller setzte die Koalition ihre durchsichtige Strategie der letzten Sitzungen fort und versuchte, ihre Aussagen durch einen Zeugen "aus der zweiten Reihe" bestätigen zu lassen. Keller wurde durch die Koalition ausführlich zu den Bereichen Kohlenwasserstoffe sowie zur Salzgeologie befragt, hat jedoch nie in den entsprechenden Bereichen gearbeitet. Ebenso wenig hatte er Einblick in die politischen Entscheidungen, war nicht am entscheidenden Fachgespräch zum Zwischenbericht im Mai 1983 beteiligt und auch beim Zwischenbericht selbst nicht für das Kapitel zur Relevanz des Deckgebirges verantwortlich. Er konnte keine Auskunft darüber geben, wer das Kapitel verfasst hat. Keller musste seine Antworten häufig relativieren, konnte nur wenige Belege liefern und bezeichnete sich selbst bei Fragen zu den Untersuchungen der oberflächennahe Geologie Duphorns als "Unbeteiligten und Spekulierer" - eine für die gesamte Befragung exemplarische Antwort. Als Keller zum Fachgespräch selbst befragt wurde, störte der CDU-Abgeordnete Grindel mit massiven Zwischenrufen die Vernehmung und erzwang eine Beratungssitzung, welche die Öffentlichkeit ausschließt. Dieses Störmanöver hat Methode und wurde von der Opposition heftig kritisiert. Daher brachte die Befragung Kellers wenig inhaltlich verwertbare Ergebnisse. Auch die Hauptthese Kellers konnte Sylvia Kotting-Uhl widerlegen: Laut Keller werden die Deckgebirge im norddeutschen Raum in kommenden Eiszeiten abgetragen – und sollten daher als mögliche Barriere gar nicht in Betracht gezogen werden. Kotting-Uhl wies nach, dass Deckgebirge Eiszeiten unbeschadet überstehen können und dies auch im norddeutschen Raum während der letzten Eiszeiten der Fall war. Als interessantes Detailergebnis der Befragung ist außerdem festzuhalten, dass die vorhandenen Kohlenwasserstoffe laut Keller innerhalb der BGR nur als Risiko bei der Erkundung diskutiert wurden – nicht aber als Kriterium für die (Nicht-)Eignung Gorlebens als Endlager.
Zeugenbefragung Ulrich Schneider
Die Befragung Schneiders erwies sich vor allem aufgrund seiner großen praktischen geologischen Erfahrung als sehr ergebnisreich. Er konnte anhand von BGR-Berichten und -karten eindrucksvoll nachweisen, dass die BGR entgegen bisheriger Aussagen selbst von sogenannten Scheitelstörungen im Salzstock Gorleben ausging. 1983 wurden Schneider und Duphorn, die im Auftrag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die Oberflächenkartierung des Salzstocks Gorleben fachlich begleiteten, von dem damaligen Abteilungsleiter der BGR Venzlaff wegen dieses Sachverhaltes heftig kritisiert und von weiteren Arbeiten ausgeschlossen.
Ausführlich befragt wurde Schneider zum Phänomen der "Gorlebenrinne", den Störungen im Deckgebirge des Salzstocks. Schneider betonte die Wichtigkeit eines intakten Deckgebirges für eine mögliche Endlagerung und wies die These des Zeugen Keller zurück. Dass in Gorleben kein intaktes Deckgebirge vorhanden ist, sei "ein Auschlusskriterium" so Schneider. Des war nach seiner Aussage auch bereits 1983 bekannt. Dass diese Einschätzung aus den Entwürfen für den Zwischenbericht im Mai 1983 gestrichen wurde, sei politisch motiviert: "Sonst wäre Gorleben als nicht geeignet eingestuft worden."
Schneider sieht neben dem Fehlen des intakten Deckgebirges auch den sogenannten einschlusswirksamen Gebirgsbereich als nicht geeignet an. Er führte aus, dass sich Gas im Erkundungsbereich 1, dem potenziellen Einlagerungsbereich findet. Das Vorhandensein von Gas aber schließt die Eignung als Endlagerstandort aus mehreren Gründen aus: Durch die heißen Endlagerbehälter erwärmt sich vorhandenes Gas und dehnt sich aus – wodurch der Druck im geschlossenen Salzstock erheblich steigt. Zudem bedarf es bei einem entstehenden Methan-Sauerstoff-Gemisch schon bei 20 Grad Celsius nur eines Funken, um das Gemisch zu entzünden. Schließlich gibt es zwischen den verschiedenen Gas-Schichten im Salzstock Verbindungen, sogenannte, "Wegsamkeiten". Diese belegen, dass der Gasstock kein geschlossenes System ist und sich zudem in ständiger Bewegung befindet.
Durch Schneiders Aussagen konnten auch noch mehrere eindeutige Manipulationen und Vertuschungen durch die Behörden aufgedeckt werden. Er wies nach, dass BGR sowie PTB bereits 1982 eine umfangreiche Literaturstudie über Gasvorkommen am Salzstock Gorleben vorlag – die nicht in den Zwischenbericht 1983 einfloss. "Ein Gasfund im Salzstock hätte ein neues Fass aufgemacht, das wollte man nicht", bewertete Schneider diesen Vorgang. Schließlich zitierte er aus einem Brief der BGR-Außenstelle Berlin an den damaligen Abteilungsleiter in der BGR und Mitglied der Kerntechnischen Gesellschaft Venzlaff. Daraus geht hervor, dass alle Seiten schon 1991 von der Gasexplosion in Rambow und somit von den Gasvorkommen unter dem Salzstock Gorleben wussten. Auch dies floss nicht in die weiteren Arbeiten der BGR, insbesondere in die zusammenfassenden Veröffentlichungen zu den Ergebnissen der ober- und übertägigen Erkundung 2007 bis 2008 ein.
Die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses findet am 20. Januar 2011 ohne Zeugenbefragung statt. In der anschließenden Sitzung am 27. Januar werden die Zeugen Marianne Fritzen (Oppositionszeugin für Irreführung der Öffentlichkeit ) und der ehemalige niedersächsische Sozialminister Schnipkoweit, CDU, gehört. Die Sitzungen sind öffentlich, eine Anmeldung ist erforderlich.
Quelle: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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